Coronaland – Expertenland

Warum sich in einer Krise jeder für einen Experten hält

„Wow! Unglaublich! Ich verstehe gar nicht wieso das so wenige Wissenschaftler zugeben! Es gibt keinerlei wissenschaftlichen Nachweis für Viren! Für Bakterien ja, aber nicht für Viren!“ Ein seeliger Blick huscht aber das Gesicht meines Freundes, wie der eines Kindes, dass zum ersten Mal eine Mathematikaufgabe gelöst hat. Hat er doch als medizinischer Laie gerade scheinbar eine der größten Lügen der medizinischen Fachwelt auf den Punkt gebracht!

Momentan schwappt eine große Welle über unser Land – die Welle der selbsternannten Experten. Es ist fast so, als wolle jeder zweite Deutsche eine emotionale Scharte ausbügeln, die tief in den Abgründen der eigenen Seele in der Kindheit vergraben wurden, als man hochroten Kopfes eine Frage des gestrengen Lehrers nicht beantworten konnte. Dabei ist ein Teil dieses Problems durchaus evolutionär bedingt:

Unser Gehirn ist auf Überleben gepolt. Es gibt dabei nur ein Problem – wir entscheiden nicht mehr wirklich darüber was zum Überleben gehört und was nicht. In der Steinzeit jedenfalls war das Leben noch einfach. Man musste ständig auf der Hut sein, denn Gefahren lauern überall. Auch im eigenen Stamm, der überlebenswichtig war (allein hatte man langfristig schlechtere Überlebenschancen), war es entscheidend das Verhalten der Stammesmitglieder vorherzusehen. Zu diesem Zweck hatte die Natur etwas ersonnen, dass uns von anderen Spezies unterscheidet: Die Fähigkeit zu reflektieren.
Entwicklung der Menschheit
Und so quält uns diese vermeintlich innere Stimme in unserem Kopf und wittert überall Gefahren. Was wir aber nicht erkennen ist, dass unsere inneren Impulse evolutionäre Mechanismen sind, quasi alte Programme, die aus der Zeit gefallen sind. So hört mein Freund möglicherweise seinen inneren Dialog tönen:
„Sag was Schlaues, sonst könnte er dich für dumm halten. Nicht auszudenken, wenn du zu dem Thema nix Schlaues sagen kannst. Du darfst nicht dumm erscheinen!“
Noch perfider sind in solchen Situationen Gefühle der Unsicherheit, die einen vermeintlich zum Kommentieren ermutigen. Hier hat sich der innere Dialog bereits ins Unbewusste verlagert. Dass dabei unser Gehirn nicht fair zu uns ist, ist hier nicht offensichtlich. Eigentlich müsste es nämlich sagen:
„Lieber Freund ich mache dir gerade einen Riesendruck, weil ich dich an all die Erlebnisse in der Kindheit erinnere an denen du befürchtet hast nicht geliebt und wertgeschätzt zu werden, wenn du die an dich gestellten Anforderungen nicht erfüllst. Und jetzt musst du zwanghaft etwas dazu sagen, weil du dir sonst minderwertig vorkommst.“
So würde wohl eher ein Schuh draus! Also gehen wir in solchen Situationen auf Autopilot!
ich halts nicht mehr aus
Hier kommt außerdem noch ein Mechanismus zum Tragen, der nach seinen Entdeckern benannt worden ist – der Dunning-Kruger-Effekt:
Die Sozialpsychologen David Dunning und Justin Kruger fangen heraus, dass inkompetente Personen dazu neigen nicht zu merken, dass sie inkompetent sind. Interessanterweise führt dies aber genau zum Gegenteil: Sie halten sich für viel kompetenter als sie sind – ja oft sogar für ausgewiesene Experten!

Hinzu kommt, dass wir Menschen dazu neigen, emotionale Reaktionen mit Wahrheiten zu verwechseln. Emotionale Reaktionen sind in der Regel keine Wahrheiten, sondern Reaktionen auf unsere WAHRNEHMUNG, nicht auf das was wirklich ist (dazu an anderer Stelle mehr). Anbei nur ein kurzes Beispiel: Stellen Sie sich vor Sie liegen im Bett. Plötzlich werden Sie wach. Es ist dunkel und eine Jacke, die Sie über einen Stuhl gehängt haben, sieht plötzlich im Halbdunkel wie ein Einbrecher aus. Wie werden Sie reagieren? Flucht? Angriff? Erstarren vor Schreck? Was ist, wenn Sie erkennen, dass es nur eine Jacke über einem Stuhl ist? Sie werden sich schnell beruhigen, oder nicht? Wenn ich Sie jetzt in dem Moment größter Aufregung gefragt hätte, was Ihnen Ihr Gefühl sage. Was hätten Sie geantwortet? Und wäre es die „Wahrheit“ gewesen?
horror

Daher nun ein paar wohlmeinende Tipps für die Zukunft:

  1. Wenn Sie das nächste Mal einen vorschnellen Impuls spüren sich einbringen zu wollen, erinnern Sie sich an den alten Klassiker: Warten und kurz innehalten. So vermeiden Sie, dass Sie reagieren, statt besonnen zu agieren. Lassen Sie die oberflächlichen und reaktiven Gedanken vorbeiziehen. Die intelligenten befinden sich meist eine Schicht tiefer.
  2. Wenn Sie kein Experte sind, sind sie kein Experte. Punkt! Wenn Sie einer werden wollen, werden Sie einer! Viel Spaß beim Studium! Und ich meine nicht das Studium verschwörungstheoretischer Webseiten!
  3. Hinterfragen Sie öfter Ihre Ansichten: Kann ich das wirklich wissen? Wie könnte ich falsch liegen?
  4. Beschäftigen Sie sich mit gegenteiligen Meinungen. Machen Sie ein Spiel daraus und halten Sie eine imaginäre flammende Rede für die Gegenseite! Das führt zu einer ausbalancierten Position.
  5. Wenn Sie das nächste Mal glauben, dass Sie das sichere „Bauchgefühl“ haben, dass die Argumente stimmen, die Sie da gelesen oder gehört haben, dann war das Essen vom Vortag doch nicht mehr genießbar.
In diesem Sinne wünsche ich frohes Weiterdiskutieren – natürlich mit Augenmaß.
Marco Prell, M. A.
Sprecherzieher (univ.)
Am Gießhübel 15
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